Toast To Scotland

Bernd Horlbeck, 2011

Scots wha hae, …

An einem Abend wie dem heutigen stoßen wir auf all das an, was uns besonders wichtig ist, die Frauen, Robert Burns, sogar unsere Politiker …

Ich denke, es ist an der Zeit, nunmehr auch einmal diejenige Nation zu würdigen, welcher wir den Genuss eines so trefflichen Suppers zu verdanken haben. Zumal dies nur ein winziger Auszug von all dem ist, was die Schotten hervorgebracht haben. Diejenigen von uns, welche die Gelegenheit genutzt haben, im Sommer mit den Clansmen nach Schottland zu fahren, haben hiervon einen kleinen Eindruck erhalten können. Aber der schottische Einfluss auf die Welt, wie sie sich heute präsentiert, ist weit umfassender.

Wie mir ein mir besonders teurer Schotte unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hat, haben die Schotten auf ihrem Entwicklungsweg zur schottischen Nation gleich all das mit erfunden, was der Mensch im Leben benötigt, beim Skispringen angefangen bis hin zur Teekanne. Daher auch die lange Kette von Kleinkriegen, welche die Schotten in ihrer Historie führen mussten. Weder Römer noch Engländer wollten es dulden, dass sich diese Erfindungen zum Wohle der gesamten Welt auswirken. Der unbestrittene Gipfel war der Bau des Hadrianswalls, welchen die Römer allein zu dem Zweck errichteten, um die Verbreitung schottischen Kulturguts nach Europa und der gesamten Welt zu unterbinden. Wie allein der Whisky auf unseren Tischen zeigt, ist ihnen dies glücklicherweise nicht gelungen.

Da  ich aus ebenso vertrauenswürdiger griechischer Quelle weiß, dass auch die Griechen alles Notwendige dieser Welt erfunden haben, sind wir heute in der äußerst komfortablen Lage, nunmehr alles Wichtige gleich zweimal zu haben. Aber dies nur nebenbei.

Da wir leider täglich erleben müssen, wie ungenügend das Wissen hierüber bei unseren Zeitgenossen ausgeprägt ist, will ich an dieser Stelle einige grundlegende Zusammenhänge dem Dunkel des Vergessens entreißen.

Was viele noch wissen werden, ist die Tatsache, dass sich die Schotten aus dem Volk der Pikten und dem Volk der Scots herausgebildet haben. Von den Pikten haben wir die Grundbegriffe des Zeichnens, technisches Zeichnen inbegriffen, und der Malerei erlernt. Es war ein Volk begeisterter Maler. Hierzu erfanden sie zunächst das Papier und den Bleistift. Hierfür benötigt man Holz, viel Holz. Großbritannien war ehemals eine fruchtbare, bewaldete Insel. Bald jedoch nicht mehr. Als die Römer zum ersten Mal auf Pikten stießen, gab es bereits kein Papier mehr und in ihrem künstlerischen Drang bemalten sie das weiter, was ihnen verblieben war, ihre Körper. Auch heute noch finden wir die Spuren dieser Anpassungsfähigkeit bei unseren schottischen Zeitgenossen. Sie bemalen alles, was ihnen unter die Finger kommt. Auch vor Bierdeckeln schrecken sie nicht zurück.

Eine weitere wunderbare Erfindung entstand direkt anschließend. Das unzureichend vorhandene Einwickelpapier zwang sie zur Verwendung anderer Hilfsmittel, wie z.B. einem Schafsmagen. Hier hinein packten sie zunächst alles, was im Haushalt so anfällt, Trinkwasser, Essens- und Kehrreste usw. Von Kenneth Mc Alpin, dem Begründer der schottischen Nation, ist überliefert, dass er einmal auf einem seiner Feldzüge den Kehrrichtsack statt des Wassersacks auf den Kriegszug mitnahm. Da es in Schottland überall und aus allen Richtungen ausreichend Wasser gibt, stellte das zunächst kein Problem für seine Truppen dar. Es hatte jedoch eine äußerst komfortable Nebenwirkung hinsichtlich der kulinarischen Truppenversorgung – der Haggis war geboren.

Zu jener Zeit des Kenneth Mc Alpin steckten die medizinischen Wissenschaften praktisch noch in ihren Kinderschuhen. Aus Rücksicht auf meine bereits erwähnte griechische Quelle sage ich nicht, sie hätte es nicht gegeben, denn, wie ich bereits ausgeführt habe, sind die griechischen Erfindungen, zum Leidwesen der Schotten, besser überliefert. Sie schrieben auf Papier, welches sich auf lange Zeit besser aufbewahren ließ als die piktischen Schreibvorlagen. Jedenfalls war dazumal die Wundversorgung ein ernstliches Problem bei den das schottische Territorium unentwegt verteidigenden Truppen. Wenn Einzelheiten auch nicht überliefert sind, so wissen wir doch mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit, dass Whisky hierbei eine große Rolle spielte. Die teilweise grausigen Wunden, welche die damalige Kriegstechnik verursachte, waren ohne Whisky nicht zu ertragen, jedenfalls nicht für den behandelnden Wundarzt. Die schrillen, mörderischen Schreie der zu Tode verletzten kann man sich kaum vorstellen oder könnte sie sich nicht vorstellen, hätten die Schotten nicht gleichzeitig die Bag Pipe (z. deutsch: Dudelsack) erfunden, welche uns einen lebhaften Eindruck von den Schreckensgeräuschen auf den Schlachtfeldern des 9. Jhrh. vermittelt, ganz wie es im Tam O’Shanter heisst:

…   dass durch der Bag Pipes schrillen Schalle,

erbebt die ganze Kirchenhalle!

Und noch etwas, unter den zahlreichen, alles Denkbare umfassenden Erfindungen darf ich nicht unerwähnt lassen, wenngleich es mir als Sachsen nicht leicht fällt, darüber zu sprechen. Je weiter mein bescheidenes Eindringen in die schottische Sprache fortschreitet, desto stärker wächst in mir der Verdacht, dass die Schotten auch meine, die sächsische Sprache erfunden haben. Es sind nicht die Substantive, die mich auf den Gedanken brachten, nein, die Hilfsverben, Possesivpronomen und all das sind es. Wie anders sind solche Ähnlichkeiten zu erklären wie z.B. im Tam O’Shanter:

  • Englisch „Your own Wife“, aber schottisch „thy ane wife“ und sächsisch „Dei eechnes Weib“,
  • oder das englische Wort „home“ heisst im Schottischen wie Sächsichen „Hame“ (Heem),
  • oder für das englische „You“ sagt der Schotte wie der Sachse „Thou“ (Du),
  • oder gar „the devil“ ist in Schottland „the deil“ und in Sachsen „De Deibl“,
  • oder „the stone“ sind schottisch wie sächsisch „the stane“ (de Steen).

und so weiter und so fort. Also frage ich mich als Sachse beklommen, wäre ich ohne die Schotten vielleicht stumm? Mit zitternder Hand gieße ich mir einen Whisky ein, schnuppere das feine Aroma, platziere ein paar Tropfen auf meiner Zunge und lasse sie sanft den Gaumen hinuntergleiten. Dann atme ich tief durch und sage zu mir selbst:

„Un wenn schonn, mer ham se scha, Gotzei Dank! Unn scheene Sachn ham se werglisch orfundn!“

Und so möchte ich das Glas erheben auf die

„Scots wha hae wi‘ Wallace bled …

Scotland the brave!