Europäisches Essensmeeting

Lost Manuscript, found and modernized 2013 by Andreas Langer

10 Männer – ein Grieche, ein Italiener, ein Franzose, ein Portugiese, ein Spanier, ein Zypriot, ein Finne, ein Österreicher, ein Holländer und ein Deutscher –  treffen  sich regelmäßig zum Essen. So war es auch wieder in der letzten Woche. Die  Rechnung für alle zusammen betrug genau 1000,00 Euro, denn man speiste schon sehr gern auf hohem Niveau. Die Gäste zahlten ihre Rechnung wie wir unsere Steuern und das sah ungefähr so aus:

  • Vier Gäste (der Grieche, der  Portugiese, der Spanier und der Italiener) zahlten nichts.
  • Der Zypriot zahlte 2 Euro,
  • Der Franzose 10 Euro,
  • Der Österreicher 100 Euro,
  • Der  Finne 160 Euro,
  • Der Holländer 200 Euro.
  • Der Zehnte (der Deutsche) zahlte 528 Euro.

Das ging  schon eine ganze Weile. Immer wieder trafen sie sich zum Essen und alle waren zufrieden. Bis der Wirt Unruhe in das Arrangement brachte, in dem er vorschlug, den Preis für das Essen um 100 Euro zu reduzieren. „Weil Sie alle so gute Gäste sind!“ Wie nett von ihm! Jetzt kostete das Essen für die 10 nur noch 900 Euro! Aber die Gruppe wollte unbedingt weiter so bezahlen, wie das bisher üblich war. Dabei änderte sich für die ersten vier nichts, sie aßen weiterhin kostenlos. Wie sah es aber mit den restlichen sechs aus? Wie konnten sie die 100 Euro Ersparnis so aufteilen, dass jeder etwas davon hatte?

Die sechs stellten schnell fest, dass 100 Euro geteilt durch sechs Zahler 16,66 Euro ergibt. Aber wenn sie das von den einzelnen Teilen abziehen würden, bekämen der fünfte und der sechste Gast noch Geld dafür, dass sie überhaupt zum Essen gehen. Also schlug der Wirt den Gästen vor, dass jeder ungefähr prozentual so viel weniger zahlen sollte, wie er insgesamt beisteuerte. Er setzte sich also hin und begann das für seine Gäste auszurechnen. Heraus kam folgendes:

  • Der Zypriot, ebenso wie die ersten vier, zahlte ab sofort nichts mehr (100% Ersparnis).
  • Der Franzose zahlte 6 € statt 10 € (40% Ersparnis).
  • Der Österreicher zahlte 90 € statt 100 € (20% Ersparnis).
  • Der Finne zahlte 144 € statt 160 € (10% Ersparnis).
  • Der Holländer zahlte 180 € statt 200 € (10% Ersparnis).
  • Der Deutsche zahlte 478 € statt 528 € (11% Ersparnis).

Jeder der sechs kam bei dieser Lösung günstiger weg als vorher und die ersten vier aßen immer noch kostenlos. Aber als sie vor der Wirtschaft noch mal nachrechneten, war das alles doch nicht so ideal, wie sie dachten. „Ich hab‘ nur 4 Euro von den 100 Euro bekommen!“ sagte der Franzose und zeigte auf den Deutschen. „Aber er kriegt 50 Euro!“ „Stimmt!“ rief der Zypriot. „Ich hab‘ nur 4 Euro gespart und er spart mehr als zehnmal so viel wie ich.“ „Wie wahr!!“ rief der Österreicher. „Warum kriegt er 50 Euro zurück und ich nur 10? Alles kriegen mal wieder die reichen Deutschen!“ „Moment mal“ riefen da der Grieche, der Portugiese, der Spanier und der Italiener aus einem Munde. „Wir haben überhaupt nichts bekommen. Das System beutet die Ärmsten aus!“ Und wie aus heiterem Himmel gingen die neun gemeinsam auf den Deutschen los und verprügelten ihn.

Am nächsten Abend tauchte der Deutsche nicht zum Essen auf. Also setzten sich die übrigen 9 zusammen und aßen ohne ihn. Aber als es an der Zeit war die Rechnung zu bezahlen, stellten sie etwas Außerordentliches fest: Alle zusammen hatten nicht genügend Geld um auch nur die Hälfte der Rechnung bezahlen zu können!

Und wenn sie nicht verhungert sind, wundern sie sich noch heute.