Oengus mac Fergus
Herantasten eines Laien …
Die Historie Schottlands im frühen Mittelalter, also bis etwa 900 ist und bleibt von etwas Mysterium umhüllt. Wirklich belastbare Aufzeichnungen, wie wir sie etwa von den Römern kennen, gibt es kaum. Mit dem Rückzug der Römer von der britischen Insel hören entsprechende Schriften bzgl. Schottland, deren Bevölkerung sie Pikten nannten, im Prinzip vollständig auf. Wenngleich die historischen Beschreibungen der Römer doch wesentlich von deren Zeitgeist getragen waren, so geben sie uns doch wenigstens eine kleine Stütze, um dieses Land und dessen Geschichte zu ergründen.
Dann jedoch hört im Prinzip plötzlich alles auf und ist de facto vom schottischen Nebel verschlungen. Von Zeit zu Zeit lassen sich, wie Blitze im dichten Nebel, Ereignisse, meist Schlachten oder Königskrönungen oder deren Tod, festmachen, gewonnen aus irischen Quellen von Mönchen oder aus Steintafeln. Die darin verstrickten Personen sind beinahe surreal: dalriadische Fürsten überfallen als piktische Könige Dal Riata und vieles andere mehr.
Was kann man da tun? Wir müssen unser geschichtliches Allgemeinverständnis und ein wenig Phantasie beanspruchen. Aber gerade das macht es so interessant und aufregend …
Die Neuen aus dem Westen gegen die Alteingesessenen
Eine in dieser Hinsicht herausragende Figur ist die des Oengus mac Fergus (Oengus I.) und die dazugehörige Zeitmarke liegt um 750. Aber langsam, beginnen wir von vorn, d.h. um 590.
Im Westen des heutigen Schottland bestimmt die cenel nGabrain die Geschicke Dal Riatas und hat ihren Herrschaftssitz in Dunadd. Sie verbreiten viel Unruhe und befinden sich in ständigen Skirmishes mit ihren Nachbarn, den Alt Clut am Ufer des Clyde, östlich vom heutigen Glasgow. Die Alt Clut unter ihrem damaligen Oberhaupt Rhydderch Hail handeln meistens gemeinsam mit den Alteingesessenen Goddodin, nahe des heutigen Edinburgh. Mit den nördlichen piktischen Stämmen von Fortriu in den Highlands befinden sie sich in Frieden. Es herrscht im Grunde eine gewisse Allianz der Alteingesessenen.
603 wenden sich die Männer von Dal Riata auch den südlich befindlichen Nachbarn, dem damaligen Bernicia (Northumbria) auf kriegerische Weise zu. Doch auch von Bernicia werden sie in der verheerenden Schlacht von Degsastan geschlagen. Bereits hier kann man erkennen, dass die Neuen auf schottischem Territorium mehr Macht und mehr Land beanspruchen.
Die Alteingesessenen hingegen rücken mehr zusammen, denn sie wollen sich nicht verdrängen lassen. Um 621 wird Beli zum gemeinsamen König von Alt Clut und Fortriu.
Doch ab 635 (bis ca. 653) greifen die Skoten von Dal Riata unter Domnall Brecc immer wieder erfolglos die einheimischen Pikten von Fortriu und die Alt Clut an, doch sie unterliegen ein ums andere Mal.
Die piktischen Stämme mit ihrem Königssitz in Fortriu werden zunehmend von der starken Macht der Northumbrier im Südosten gedrückt, von welchen sie als untergeordnetes Hinterland in den Highlands angesehen werden. So begehren 671 diese piktischen Stämme gemeinsam gegen den northumbrischen Herrscher Oswiu auf, werden von Oswiu jedoch geschlagen und zurückgedrängt. Oswiu setzt Belis Sohn Bruide mac Beli als deren König und seinen Vasallen ein.
Auf der anderen Seite im Westen greift Dal Riata 678 wieder die Alt Clut an (Tiree), doch Elfin schlägt sie zurück.
Die Pikten begehren auf – Nechtansmere
Um 680, also nach fast einhundert Jahren des Kampfes der Alteinge-sessenen Pikten im Osten und Norden und Alt Clut am Clyde River gegen die neuen Eindringlinge von Skoten und die immer mächtiger werdenden Northumbrier im Süden werden insbesondere die Pikten aus den Highland-Regionen immer selbstbewusster. Der vom Northumbrier Ecgfrith als Vasallenkönig eingesetzte Bruide mac Beli übernimmt die Strategie der Northumbrier, verwirft die Bindung zu den Alt Clut, ohne sie jedoch zu bedrängen. Er wendet sich zunächst nach Norden und greift zunächst Dunnotar und um 682 die Orkneys an.
Doch schon ein Jahr später, um 683 fallen dalriatische Krieger erneut bei den Pikten ein, werden jedoch in Dundurn (nahe des heutigen Crieff) erfolgreich abgewehrt und Bruide nutzt dies unmittelbar zu einem Gegenangriff auf Dunadd. Doch die Pikten kommen nicht zur Ruhe. Ihr machtvolles Aufbegehren beunruhigt auch den northumbrischen König Ecgfrith. Er will dem ein Ende bereiten und sie wieder unter die northumbrische Knute zwingen. 685 marschiert er mit einem Heer nach Nordosten und wird von Bruide mac Beli bei Nechtansmere (Dunnichen) gestellt und von den Pikten vernichtend geschlagen, geradezu pulverisiert, wie die irischen Quellen in den Annals of Ulster und Tigernach es nahelegen. Ecgfrith fällt in der Schlacht. Northumbria ließ fortan die Hände von den verturionischen Pikten. 693 stirbt Bruide mac Beli als König von Fortriu, doch die Stellung der Pikten im Schottland der damaligen Zeit hatte sich für immer verändert.
Oengus mac Fergus verändert das damalige Schottland
732 wird Oengus mac Fergus zum König von Fortriu gekrönt. Und er setzt den Aufstieg von Fortriu fort, aber nicht mehr als Vasall Northumbrias, sondern als mächtiger König. 740 wendet sich Oengus gegen Northumbria und es kommt zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Doch auch die Verbundenheit der „Alteingesessenen“ ist für Oengus Vergangenheit. 756 zieht er mit Eadberht von Northumbria gegen Alt Clut, vor hundert Jahren undenkbar. Auf dem siegreichen Rückzug kommt es allerdings zu Händeln zwischen den Verturionen und den Northumbriern, bei welchen die Northumbrier den Kürzeren ziehen. Vier Jahre später wird der König der Alt Clut in einem erneuten gemeinsamen Feldzug von Oengus und den Northumbriern getötet und Oengus regiert nun auch über die Alt Clut, die es fortan nicht mehr eigenständig gibt.
Ein paar Jahre später, um 736 zieht nach Berichten alter Quellen Oengus mit einer Streitmacht nach Dal Riata, brennt Dunadd nieder und löscht das Reich Dal Riata quasi aus der weiteren Historie.
Aber damit nicht genug. Leider ist aus alten Quellen nicht sehr viel aus dieser Zeit bekannt. Fakt ist jedoch, dass sich mit Oengus mac Fergus die Regionen von Fortriu im Nordosten, der Northumbrier (Goddodin), Strathclyde und Dal Riata in einem Zeitraum von knapp einhundert Jahren in ihren politischen Machtstrukturen praktisch umgekrempelt haben. Keine kapitalen Schlachten und Kriegszüge – da ist nichts. Aber am Ende steht da ein Gebilde, was man durchaus mit dem heutigen Schottland vergleichen kann. In diesem Sinne ist Oengus durchaus eine prägende Figur im frühmittelalterlichen Alba, die wegweisende Zeichen für dessen Entwicklung setzte, umsetzungsstark mit starker Ausstrahlung aber auch gewaltbereit.
Wären da nicht die Wikinger als neue Kraft gewesen. Sie setzten Oengus‘ Umgestaltung im Jahre 839 ein Ende …
Wer war Oengus mac Fergus (Oengus I.)?
Oengus mac Fergus ist offenbar in piktischen Landen geboren, wahrscheinlich im Nordosten Schottlands. Er ist wahrscheinlich ein Sohn des Coipre Cruithnechan („Cairbre the little pict“), einem Spross der Eogenachta of Munster in Südirland und hat somit zum Teil irische Wurzeln aber keine Verbindung zu Dal Riata. Aufgewachsen ist er in einer Zeit des piktischen Aufbruchs gegenüber northumbrischer Oberhoheit. Aufgrund des irischen Ursprungs zählt er quasi zu den Neuankömmlingen in Alba und hat praktisch keine historische Beziehung zu den Alteingesessenen. Für ihn sind die Neuen von Dal Riata, die sich überhebenden Northumbrier wie auch die Alten von Alt Clut genauso Widersacher im Streit um die Macht. Somit wächst er in dem Anspruch auf, unter seiner Ägide die piktischen Stämme von Fortriu gemeinsam gegen sämtliche Nachbarn zu führen, ein Ansatz für das neue Herrschaftsgebilde Schottland …
The following 9th century Irish praise poem from the Book of Leinster is associated with Óengus:
Good the day when Óengus took Alba,
hilly Alba with its strong chiefs;
he brought battle to palisaded towns,
with feet, with hands, with broad shields.