Vorfeld der dynastischen Krise

Die Auseinandersetzungen, welche sich nach dem Tode Alexanders III. im Jahre 1286 im spätmittelalterlichen Schottland bis zum Ende des 15. Jhrh. abspielten, werden oft auch, insbesondere aus schottischer Sicht, als die Unabhängigkeitskriege bezeichnet. In meiner Zeittafel werden die wesentlichen Ereignisse als Übersicht abgebildet. Auf die Hintergründe der Abläufe wird dort allerdings nur wenig eingegangen. An dieser Stelle soll zunächst das historische Vorfeld der entstandenen Situation, welches sowohl Schottland und England beinhaltet, näher beleuchtet werden. Dies soll auch die Triebkräfte auf allen beteiligten Seiten stärker hervorheben, welche deren jeweiliges Handeln bestimmten.

Situation am Ausgang des 13. Jhrh.

1249 wird Alexander III, als Abkömmling der Canmore-Dynastie (Haus Dunkeld) im frühen Alter von 7 Jahren Nachfolgekönig von Schottland. In solch zartem Alter bestimmt man nicht wirklich sondern man wird bestimmt. Zunächst übernahmen diese Aufgabe seine Mutter mit dem ehedem sehr einflussreichen Alan Durward, dessen Einfluss jedoch nicht mehr allgemein anerkannt war und zusehends schwand. Insbesondere die Comyns, einer der mächtigsten Clans aus dem Nordosten Schottlands verfolgten eigene Interessen. Es wird vermutet, dass vor allem sie es waren, die schon bald bei Heinrich III, dem damaligen König von England um Hilfe gegen die Durward-Regierung ersuchten, um so ihren Einfluss in Schottland weiter ausbauen zu können.

Heinrich III. sah sich selbst aufgrund nicht wirklich gelöster Probleme in Frankreich und allgemeiner Finanznöte in unbefriedigender Lage und hoffte durch Einnahmen aus Grundbesitz und Kreuzzugsvorbereitungen diese zu verbessern. Eine Erneuerung der Oberhoheit über Schottland war in diesem Kontext ganz in seinem Sinne und so verheiratete er seine Tochter Margarete 1251 in York mit Alexander III. und nutzte dies sogleich, den schottischen Hof in seinem Sinne zu bereinigen. Er ernannte die nordenglischen Barone Robert de Ros und John de Balliol zu seinen Interessenvertretern am Schottischen Hof und dem schottischen Kronrat gehörten fortan mit Walter und Alexander hauptsächlich die Comyns und deren Unterstützer an.

Doch in Wirklichkeit war Heinrich III. auf seinem Weg um nichts vorangekommen. Die Comyns leisteten ihm nicht die erhoffte Gefolgschaft und verfolgten ihre eigenen Interessen, seine Barone Ros und Balliol ebenso. So blieb die erhoffte militärische Unterstützung seines Feldzuges in die Gascogne durch Schottland fast völlig aus. Auch weigerten sie sich, ihm Steuer für seinen in einen Sizilien-Feldzug umgewandelten Kreuzzug zu zahlen. Das war für ihn unannehmbar und so zog er im Sommer 1255 mit einem Feudalheer an die Grenze zu Schottland. Ein Krieg wurde auf  dem Verhandlungsweg verhindert, der schottische Kronrat trat zurück und auch die Comyns hatten damit nicht den erhofften Vorteil. Doch ihren Einfluss am Königshof hatten die Comyns nicht eingebüßt und in den folgenden zwei Jahren sogar gestärkt. Da sie auf dem Verhandlungsweg nicht vorankamen, brachte Walter Comyn 1257 den jungen König Alexander in seine Gewalt. Heinrich sah sich aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen in Wales nicht in der Lage, nun auch dagegen vorzugehen, so dass sich die Comyns im Vorteil sahen und sich ihrerseits mit dem walisischen Adel gegen England verbündeten. Doch der junge König Alexander III. war mittlerweile dem Kindesalter entwachsen und begann, seinen eigenen Willen durchzusetzen, gegen die mittlerweile fast einflusslose Durward-Regentschaft und – gegen die Comyns.

Er setzte sich zunächst für einen 1258 geschlossenen Waffenstillstand mit Wales ein, sorgte in einem Abkommen mit seinen Magnaten für einen neuen Kronrat sowohl mit Durward- als auch Comyn-Anhängern. Sein Schwiegervater Heinrich III. sicherte 1260 dem Kronrat seine Unterstützung zu. Alexander III. hielt jetzt mit knapp 20 Jahren die schottische Regierung fest in seinen Händen und begann, seine eigenen Interessen in die Tat umzusetzen. Zunächst versuchte er, die in norwegischer Hand befindlichen Inseln unter seine, also schottische Kontrolle zu bringen. Das führte natürlich zu Auseinandersetzungen mit Hakon IV. und den Lords of the Isles. Hakon IV. unternahm einen Feldzug zu den Isles, was zu einigen Skirmishes mit den Schotten führte, doch zu keinem nennenswertem Erfolg. Auch im letzten Gemetzel von Largs 1263 gab es keinen Sieger. Die Norweger traten den Rückzug an, Hakon IV. erreichte Norwegen nicht mehr und starb auf den Orkneys. Die Insel-Clans schlossen sich letztendlich dem schottischen König an und im Jahre 1266 schloss Alexander III. mit Magnus VI. den Frieden von Perth, wonach die Hebriden an Schottland fielen und nur die Orkneys in norwegischer Hand verblieben.

In England war 1272 König Heinrich III. verstorben und sein Sohn Eduard I. übernahm 1274 die Königskrone. Alexander III. reiste zur Inthronisierung zwar an, jedoch weigerte er sich, dem König weder für seinen englischen Grundbesitz noch für das Reich Schottland zu huldigen. Erst 1278 nahm er Eduards Zusicherung zur Unabhängigkeit Schottlands zum Anlass, ihm wenigstens für den englischen Grundbesitz zu huldigen, nicht aber für Schottland. So verdankte denn Schottland seinem König Alexander III. eine Zeit des Wohlstands und wirtschaftlicher Prosperität. Aber mit dem Tode seiner Frau Margarete um 1275 begannen bereits Wolken über Alexanders Leben aufzuziehen und somit auch über das Wohl und Wehe Schottlands. Innerhalb neun Jahren, also bis 1284, starben alle seine drei Kinder. Die Thronfolge geriet ins Wanken. So ließ Alexander bereits 1284 alle schottischen Magnaten schwören, im Falle seines Todes seine heranwachsende Enkelin Margarete (Maid of Norway) als Königin anzuerkennen. 1286, zwei Jahre später, stürzte er an den Klippen des Firth of Forth zu Tode. Seine Verfügung von 1284 trat in Kraft. Margarete war erst sechs Jahre alt. Auf der Überfahrt nach Schottland starb auch sie auf den Orkneys. 

Die Frage der Thronfolge war trotz aller Voraussicht völlig offen. Schottland hatte eine dynastische Krise.