Vorwort

Wenn wir auf heutige Staaten, Territorien oder Volksgruppen schauen, so finden wir immer das Ergebnis eines historisch sehr langen Prozesses territorialer Verschiebungen und kultureller Verschmelzung von ethnischen Gruppen vor. Dieser Prozess wurde in den einzelnen historischen Phasen von unterschiedlichen Faktoren bestimmt und dabei gab es immer dominante, z.T. auch ethnisch übergreifende Bevölkerungsschichten, welche das Geschehen in eine bestimmte Richtung vorantrieben und eine sich den Gegebenheiten bestmöglich anpassende Schicht. Mit anderen Worten, es war ein Macht- und Anpassungskampf.

Aus diesem Blickwinkel müssen wir auch die Geschichte Schottlands betrachten. So wurden die Geschehnisse von Clanoberhäuptern, Adelsdynastien und Königen bestimmt, welche zahlreichen ethnischen Gruppen und Kulturkreisen entstammten und letztlich auf irgend eine Weise den Boden und die jeweilige Bevölkerung Schottlands zu ihrem Handlungsspielraum machten. In den alten Annalen lesen wir daher von Königen und Vertretern des Klerus, doch selten über Bauern und Viehzüchter. Das müssen wir uns dazudenken, doch dürfen wir es nicht vergessen, denn gerade die zahlreichen Kriege wurden zwar vom Adel angezettelt, aber ausgefochten wurden sie vor allem von Bauern und Viehzüchtern.

Was also ist Schottland? Ethnisch ist es seit dem Frühmittelalter ein Konglomerat steinzeitlich ansässiger Bevölkerung (Pikten), gälischer Stämme von der irischen Insel (Scots), von der britischen Insel selbst nach Norden diffundierter Gruppen von Britonen, Angeln, Sachsen und Jüten, aus Skandinavien eingewanderten Wikingern und aus Kontinentaleuropa zugewanderten Normannen (Anglonormannen).

Auch territorial hat sich bis zum Frühmittelalter eine gewisse Vermischung dieser Bevölkerungsgruppen vollzogen. Eingangs des 6. Jhrh., nach dem Abzug der Römer aus Britannien, waren die Pikten aus dem Hochland noch vorherrschend, welche im südöstlichen Teil begannen, sich mit den Northumbriern zu verquicken. Im Südwesten setzten sich Gälen fest und südlich des Clyde kann man von vorwiegend britonischer Bevölkerung ausgehen. Man kann weiter davon ausgehen, dass diese Schwerpunkte über die nächsten Jahrhunderte zwar so blieben, jedoch bildeten sie den Schmelztiegel für eine erste ethnische Vermischung. Die nächsten drei Jahrhunderte (800 – 1100 ) waren durch Wikinger-Raids und in der Folge auch Ansiedlung der Wikinger gekennzeichnet mit fortschreitender Durchmischung, vielleicht mit Ausnahme des Hochlandes. Dann kam Wilhelm der Eroberer nach Britannien (1066) und übernahm die Königsmacht. Mit ihm kam der normannische Adel. Mit oder teilweise gegen den neuen König nahm er auch in Schottland einen großen Teil von Ländereien in Besitz. Fortan hatten die meisten schottischen Adelsclans auch einen Zweig normannischer Herkunft, welcher zum untrennbaren Bestandteil des schottischen Adels werden sollte.


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