Meine erste Bekanntschaft

Natürlich wusste ich, was Whisky oder Whiskey ist, als ich das erstemal nach Schottland fuhr. Das glaubte ich zumindest. Es war irgend etwas Hochprozentiges mit einem eigenwilligen Geschmack und trank man am Abend drei davon, so verursachte es Kopfschmerzen. Ich hatte nicht den Anflug eines leisesten Verdachts, dass ich bislang nur grobe Nachahmungen eines wirklichen Scotch probiert hatte und die Wahrheit über Scotch nicht nur knapp sondern weit daneben zu finden war.

Dennoch, einmal in Schottland, muss man mit der Gründlichkeit eines Physikers auch diese zu Schottland gehörende Tradition zumindest technologisch ergründen. Dies galt umso mehr als ich mit meinem achtzehnjährigen Sohn unterwegs war und das natürliche, väterliche Bestreben hatte, ihn mit der Vielfalt unserer Welt bekannt zu machen. Jedenfalls kamen wir eines Nachmittags nach Aberfeldy, um anderntags dort die Highland Games zu besuchen. Am nächsten Vormittag hatten wir folglich noch die Gelegenheit, die dort befindliche John Dewars Distillery zu besichtigen. Es sollte meine erste Bekanntschaft mit wirklichem schottischem Whisky werden. An den Rundgang kann ich mich eigentlich kaum erinnern. Er entsprach meinen Erwartungen, alle technologischen Schritte wurden genau und nachvollziehbar erläutert. Am eindrucksvollsten fand ich meine erste Begegnung mit den Pot Stills. Die kupfernen Brennblasen stimmten mich sehr wohlwollend gegenüber dem mit ihrer Hilfe erzeugten Produkt und der nachfolgend zu sehende Spirit Safe gab dem Ganzen einen ehrbaren, gar geheimnisvollen Aspekt. Zum Abschluss konnte man, wie in den schottischen Distillerien allgemein üblich, das hergestellte Produkt aus nosing glasses verkosten. Was nunmehr meinen Geruchssinn umschmeichelte, hatte nichts mit der Brutalität gegenüber den Geruchsnerven gemein, gegen welche ich mich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit sogenanntem Whisky gewappnet hatte. Genau genommen hatte dies zwei Gründe. Zum Einen hatte ich den Geruch von wirklichem schottischem Whisky in der Nase und zum Anderen sorgte die Form des nosing glasses dafür, dass sich der dem Getränk entweichende Duft zu einer Blume formen konnte. Was ich da in der Hand hielt war ein White Label Blend, also kein Single Malt. Wenngleich die Distillery in Aberfeldy natürlich den Single Malt herstellt, ist Dewars eigentlich bekannt für den Blend. Ich denke, der Grund hierfür hat einfache historische Wurzeln. Früher spielte der Single Malt nicht eine so große Rolle wie in den letzten etwa dreißig Jahren. Tom Dewars war ein ausgesprochen guter Geschäftsmann und er wollte wohl einfach nicht bei der Produktion und Lagerung des Destillats stehen bleiben. Wirtschaftlich war es unzweifelhaft vorteilhafter, aus verschiedenen Single Malts einen großen Blend zu kreieren und diesen in wesentlich größeren Mengen als bei Single Malt möglich über die ganze Welt zu vertreiben. Dabei hat ein guter Blend noch einen zweiten Charm. Ein guter Blender richtet es so, dass ein bestimmter Blend Jahr für Jahr exakt den gleichen Charakter, mithin vor allem gleichen Geruch, Geschmack und Abgang aufweist. Und so ist der Mensch, haben wir uns erst einmal mit jemandem angefreundet, auf dessen Zuverlässigkeit wir bauen können, so halten auch wir ihm die Treue. In Bezug auf Blended Scotch ist dies eindeutig ein wirtschaftlicher Pluspunkt…

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